Hören können
Hören ist erforderlich für Sprache. Taubheit und Hörbeeinträchtigungen verhindern Sprache. Die absolute Hörschwelle hinsichtlich Tonstärke und Tonfrequenz wird mit den klassischen Untersuchungsmethoden der Ohrenheilkunde gemessen. Liegen diese Werte innerhalb der Norm, werden die Ohren als gesund bescheinigt. Dennoch können bei "Gesunden" Probleme des Verstehens, der Aussprache, Lernstörungen auftreten.

Verstehen können - Hörwahrnehmung
Wichtige Voraussetzung ist die Fähigkeit des Gehirns Unterschiede in den akustischen Signalen zu erkennen, nach Lautstärke und Frequenz zu sortieren, Lücken zu erkennen. Entwicklungsrückstände in der Hörverarbeitung können den Erwerb von Sprache und Schriftsprache erschweren. Bei den Tests zur Überprüfung der auditiven Fähigkeiten geht es daher immer um den Vergleich von zwei ähnlichen Lauten, aber die Zeit zwischen den Tönen bzw. die Dauer der Lücke wird immer mehr verkürzt, bis man es nicht mehr beantworten kann. Der Umstand, dass der Test jedes Mal eine Entscheidung verlangt, bedeutet, dass die Ohren diese Leistung nicht alleine erbringen können, sondern die Verarbeitung im Gehirn stattfindet. Durch über 35 Jahre Forschung wurden alterstypische sowie entwicklungstypische Normwerte ermittelt. Vor Kurzem wurden diese mit neueren Messergebnissen aktualisiert, aber die Normwerte sind immer noch gültig und wurden teils nur an der 3. Stelle hinter dem Komma angepasst. U.a. hat man auch nachgewiesen, dass die Leistung in der Hörwahrnehmung von etwa 50% der Legastheniker deutlich schlechter ist, als die Norm und von einem erheblichen Teil der rechenschwachen Kinder auch.

Test der Unterfunktionen
Die Tests der Unterfunktionen sind im vorsprachlichen Bereich, denn es geht um grundlegende auditive Leistungen. Vgl. phonologische Bewusstheit: diese beinhaltet auch noch sprachnahe auditive Fähigkeiten, aber zu sprachgebundenen Hörtests gibt es bis heute keine Studien, d.h. Normmittelwerte sowie Streuung sind unbekannt.

Lautstärke
Wenig unterschiedlich laute Töne sind Teil der Aussprache einzelner Wörter und Sätze.

Tonhöhe
Wenig unterschiedlich hohe Töne sind zu erkennen, um z.B. Vokale unterscheiden zu können, die sich nur ganz minimal in der Tonhöhe unterscheiden. Dieser Bereich ist bei Legasthenie und Dyskalkulie besonders auffallend betroffen.

Gap-Erkennung
Bei zwei gleichen Lauten ist die Lücke zu erkennen. In der Sprache gibt es auch zwischen scheinbar zusammenhängenden Lauten bedeutsame Pausen, z.B. der Unterschied im Verständnis von Fremdsprache in der Schule gegenüber von Muttersprachlern im Urlaub. Nicht fehlendes kognitives Sprachverständnis ist verantwortlich, sondern die fehlende zeitliche Gliederung ist das Problem. Nur wenige wissen, dass es auch innerhalb eines Wortes Pausen geben kann (einige Tausendstelsek). Bei G/K, P/D, wenn der Luftstrom im Hals unterbrochen wird, da die Lippen kurz geschlossen sind (Verschlusslaute). Auch z.B. bei tonlosen Konsonanten kommen kurze Pausen vor. Es kann schwer fallen, Worte auseinanderzuhalten, Dehnung, Dopplung zu erkennen.

Zeitordnung
Die Reihenfolge von zwei deutlich unterschiedlich hohen Tönen bestimmen. Auf den ersten Blick ähnlich mit dem Test Tonhöhe. Man könnte annehmen, dass beide Aufgaben aus dem gleichen Grund nicht gut gelöst werden. Testergebnisse nach dem Training dieser Bereiche hätten dann den gleichen Lernfortschritt zeigen müssen, das ist aber nicht so, sondern werden sehr unterschiedlich erreicht, d.h. verschiedene Hörbereiche werden beansprucht. Die Zeitordnung ist wichtig, denn die Laute dürfen sich bei der Weitergabe an das Gehirn nicht überholen, weil dies zu Buchstabendrehern führen kann. Bei Legasthenie und Dyskalkulie ist dieser Bereich besonders auffallend betroffen. Zeitordnung stellt das größere Problem gegenüber Tonhöhe dar.

Zwischen den Unterbereichen gibt es keine Korrelationen, d.h. Wechselbeziehungen, sodass man von der Leistung in einem Bereich auf die Leistung in einem anderen Bereich Rückschlüsse ziehen könnte. Sie laufen unabhängig voneinander und sind ebenfalls unabhängig von der Intelligenz.

Die Entwicklung in allen vier Bereichen dauert jeweils unterschiedlich lange an, aber es gibt Kinder, die während der gesamten Schulzeit in einem oder mehreren Hörbereichen das Niveau Erwachsener noch nicht erreichen. Das sollte bewusst sein, sonst kommt es zu Fehlbeurteilungen.

Jetzt könnte man sagen: naja, in der Natur ist kaum etwas perfekt, wo man sucht, da findet man etwas. Aber: Es geht nicht um die Untersuchung aller Lernenden. Wer keine auffälligen Probleme hat, ist (fast) perfekt oder hat es, ohne Probleme zu entwickeln, kompensieren können. Es ist "normal", dass z.T. die auditive Differenzierung noch sehr wenig ausgebildet ist. Interessant ist es aber, sich bei Lernauffälligkeiten mit den Sinneswahrnehmungen auseinanderzusetzen und möglicherweise ein weiteres Puzzleteil zu finden, die die jeweilige Legasthenie oder andere Lernprobleme (mit)begründet.

Es geht in den Tests daher auch nicht um absolute Werte (wenn man diese direkt wiederholt, fallen diese ggf. ein bisschen besser aus), sondern ob grundsätzlich Auffälligkeiten außerhalb der Norm nachweisbar sind, um hier ggf. helfen zu können.

Zitierte Literatur:
Fischer Dr., Burkhart, Blickpunkte, Huber
Fischer Dr., Burkhart, Hören-Sehen-Blicken-Zählen, Teilleistungen und ihre Störungen, Huber
Fischer Dr., Burkhart, Wahrnehmungs- und Blickfunktionen bei Lernproblemen, Centaurus
Fischer Dr., Burkhart, Legasthenie, Centaurus

siehe auch Menüpunkt
"Links", wissenschaftlich, Freiburger BlickLabor, Prof. Dr. B. Fischer

 

 

   
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