Von einer Dyskalkulie (isolierte Schwierigkeit einfache Rechenschritte und Grundrechenarten zu lernen) sind weit aus weniger Kinder (Jungen und Mädchen gleich bzw. etwas mehr Mädchen) betroffen als von Legasthenie, sodass die Dyskalkulie auch noch geringer im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist. Auch die Forschung beschäftigt sich damit erst seit etwa Anfang/ Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Aufgrund der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse vermutet man, dass das Phänomen Dyskalkulie ähnliche biogenetische Ursachen und Hintergründe hat wie eine Legasthenie. Ebenfalls verursachen differente Wahrnehmungen die Fehler beim Rechnen. Allerdings ist noch ungeklärt warum sich dies bei manchen auf das Lesen und Schreiben auswirkt und bei anderen auf das Rechnen. Zusätzlich zeigen neuere Forschungen Zusammenhänge zwischen Dyskalkulie und Defiziten in der Simultanerfassung (siehe auch unter Menüpunkt Wissenswertes/ Sinneswahrnehmungen/ Zählen).
Woran kann man Dyskalkulie erkennen?
Können mindestens 5 der nachfolgenden Auffälligkeiten bejaht werden, so ist von einer bestehenden Dyskalkulie auszugehen und eine genauere Abklärung notwendig.
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wenig Beziehung zu Zahlen, beim Spielen kein Interesse am Zählen oder beim Einkaufen an Preisen
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häufiges Verrechnen um 1 oder 10
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wenig Beziehung zu Zahlenräumen, Probleme beim Überschreiten von Zehner- und/ oder Hunderterschritten
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Zählen mit Fingern
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kann nicht rückwärts zählen bzw. ohne Finger nicht möglich
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kann Zahlenreihen nicht korrekt weiterführen
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Schwierigkeiten 1x1 zu lernen
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Zwischenergebnisse beim Kopfrechnen werden nicht gespeichert
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verwechselt Rechenoperationen +, -, x, :
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wenig Beziehung zur Zeit
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wenig Beziehung zum Raum, verwechselt rechts/links, oben/unten
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wenig Beziehung zu Maßen
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wenig Beziehung zu Mengen, Unverständnis des Geldwertes
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wenig Beziehung zu Größen, verwechselt größer/kleiner, dicker/dünner, Proportionen bes. bei Körperzeichnungen unstimmig
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wenig Beziehung zu Distanzen
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entwickelt subjektive Algorithmen, d.h. eigene Verfahrensweisen, die aber nicht immer zum richtigen Ergebnis führen
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kritiklose Akzeptanz widersprüchlicher Ergebnisse bei Rechenprozessen
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wirkt beim Umgang mit Zahlen/ Rechnen unaufmerksam
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Auslassen von Ziffern
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seitenverkehrtes Schreiben von Zahlen (6/9)
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Verwechslung ähnlicher Zahlen (6/5)
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Reversieren von Zahlen (35/53)
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Verwechslung ähnlich klingender Zahlen (18/80)
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fehlerhaftes Abschreiben von Zahlen
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benötigt sehr viel Zeit für die Aufgaben im Vergleich zu anderen
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vermehrte Konfliktsituationen bei Hausaufgaben, weint, ist wütend
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hat Angst vor den Mathestunden
Eine Förderung ist unerlässlich, da es sonst zu Schwierigkeiten in den Fächern wie höhere Mathematik, Physik, Chemie, Informatik führt. Misserfolgsorientierung und Schulversagen sind die Folge. Psychische Folgen bleiben nicht aus.
Ein bloßes Üben an den Symptomen wird aber keinen Erfolg bringen. Dyskalkule benötigen Lehrmethoden, die ihnen alles bildlich und dreidimensional bringen, mehr Vertiefung als gewöhnlich und mehr Zeit. Die Förderung muss in allen drei Bereichen erfolgen:
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Training an der Aufmerksamkeit
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Training der Schärfung der Sinneswahrnehmungen
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Training an den Symptomen
Mathenachhilfe ist kein Dyskalkulietraining!
Sehr hilfreich für diese Menschen ist vor allem aber die Kenntnis und das Verständnis für das Phänomen Dyskalkulie und das damit veränderte Verhalten der Umwelt. Insbesondere ist der Rückhalt in der Familie sehr wichtig. Kurzfristige Veränderungen sind nicht zu erreichen. Es wird dem Kind viel Druck genommen, wenn es von der Familie trotz schlechter Leistungen und nur kleinen Fortschritten mit Mut und Zuversicht unterstützt wird. Treten durch die Belastung sekundär psychische oder physische Probleme auf, so sind außerdem psychologische oder medizinische Maßnahmen erforderlich.
Aussichten
Für das Training der individuellen Probleme der Dyskalkulie wird oftmals sehr viel Geduld und Ausdauer von den Betroffenen abverlangt. Es tut gut bewusst zu machen, dass aber gerade aus dieser "Situation der Schwäche" neue Stärken entstehen können, die eine Vielzahl der Nicht-Betroffenen, die es ggf. leichter hatten, so nicht entwickelt haben, z.B.:
- Lernen gelernt
- kann Strategien entwickeln, um Ziele zu erreichen
- kann die Zeit so einteilen, dass Ziele erreicht werden
- Selbstreflektion der eigenen Arbeit
- hohe Arbeitsbereitschaft
- Durchhaltevermögen, auch wenn es schwer ist
- Teamarbeit gewohnt
- in der Lage sich ein Netzwerk aufzubauen
- einfühlsam für Stärken/ Schwächen anderer
- Bewusstsein über die eigenen Stärken/ Schwächen
- Kritikfähigkeit